Ein Papierflieger erreicht nie den Mond

Der letzte Kaffeeschluck zergeht auf meiner Zunge. Ich stehe auf und mein Blick fällt auf den Papierflieger auf dem Fensterbrett. Darauf sitzt ein Passagier und starrt auf das Maisfeld, das hinter der Glasscheibe grünt.

Haben Sie ein Ticket, Herr Marienkäfer? Und kein Handgepäck dabei? Der Flug ist für 20.00 Uhr angesetzt.

In der Küche spüle ich die Tasse ab –meine Lieblingstasse mit schwarzweißen Vögeln. Rücke meine Frisur zurecht und kehre zurück ins Wohnzimmer. Herr Käfermann ist nirgendwo zu entdecken. Benutzt wohl doch seine eigenen Flügel oder hat sich für ein anderes Reiseziel entschieden. Schließlich ist sie nicht ungefährlich, diese Mondreise.

Der Papierflieger fühlt sich kühl an auf meiner Handfläche. Für einen Moment schließe ich die Augen und stelle mir vor, wie er in einem Mondkrater landet…

Doch dann erblicke ich das Fensterbrett, die schon lange nicht mehr geputzte Fensterscheibe und das Grün des Maisfeldes und mir wird etwas klar, das ich schon immer wusste: Der Papierflieger wird den Mond nie erreichen. Das ist sicher. Genauso sicher, wie auch die Tatsache, dass derjenige, der ihn gefaltet und hier liegengelassen hat, nie wieder zurückkommt.

Die alte Uhr schlägt acht mal.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Mathematik der Liebe


Sieben Töne einer Tonleiter
Sieben Regenbogenfarben
Sieben Weltwunder
Sieben Todsünden
Eine ich
Ein du

Die mathematische Formel
Für unsere Beziehung:
Ein wir geteilt durch zwei
Multipliziert mit sieben

© Marina Berin

Ein Gedicht aus dem Buch Perspektivenwechsel

Mahagoni-Songs

Flackernde Kerzen statt Sparlampen,
Auf dem Boden – eine Doppelmatratze.
Ich verstecke meine Nacktheit
Hinter dem Mahagoni-Holz
Meiner etwas verstimmten Gitarre.
Singe Songs für dich
Und über dich
Und manchmal mit dir zusammen,
Morgens Gute-Laune-Mantras
Und Wiegenlieder abends.

Mir gegenüber – dein demaskiertes Gesicht.
Ich darf es sehen, wir schrieben gemeinsam
Mehrere Seiten deiner Biografie
Und meiner auch.
In meinem Bauch
Flattern – nein, nicht die Schmetterlinge –
Die Libellen. Du sprichst wieder über existenzielle Themen,
Prosa also. Doch ich
Habe keine Lust zum Philosophieren
Heute ausnahmsweise.
Und zum Monologisieren nicht.
Also singe ich über dich
Und für dich
Und manchmal mit dir zusammen.
Wir beide nackt auf der Doppelmatratze:
Du – unter deiner Decke,
Ich – hinter meiner Gitarre.
Und singen.

Zusammen, doch jeder sein eigenes Lied.

(c) Marina Berin

Hibiskusmorgen

Der kleine Stadtpark,
Den ich aus meinem Küchenfenster
Jeden Tag erblicke,
Sorgt zugleich für eine Wohlfühlatmosphäre,
Frische Luft
Und eine überhöhte Miete.

Ich sitze am Tisch
Unter der Dachschräge
Und genieße
Den frisch zubereiteten Hibiskustee,
Der mir nur um acht Uhr morgens schmeckt:
Darin schwimmen noch die Schlafreste
Und Erinnerungen an die Nachtgespräche
Und an deine warme Poesie.

© Marina Berin

Küchenjazz

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Der Bariton deiner Stimme
Klingt etwas rau,
Eingefärbt von Liebe,
Vier Stunden Schweigen
Und vielleicht von Tabak.
Du wirkst angespannt
Und manchmal gedankenverloren
In deinem moosgrünen Pullover
Mit viel zu breitem Rollkragen;
Lauschst atemlos meinem Mezzosopran,
Und ich beantworte all die Fragen,
Die deine Lippen formen.

Uns halten wach
Der Duft frischgemahlener Kaffeebohnen
Und ein Dutzend Tassen Espresso.
Keck und mit Liebe durchtränkt
Tönt unser Küchenjazz.

© Marina Berin

Regentropfentango

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Die Regentropfen tanzen Tango…
Wir sitzen auf der Veranda,
Tauschen Worte miteinander
Und trinken frischen Kaktussaft.

Ich lege das Wort “Liebe”
Aus gerösteten Pinienkernen
Auf deinem geblümten Teller
Mit einem asymmetrischen Muster.

Hast du gewusst,
Dass die innigsten Gefühle
Bei Nacht und Regenwetter aufblühen?
Und einem Herzen wird es warm
Nur zusammen mit einem anderen?

Ich weiß das seit heute Nacht.

© Marina Berin